BLUE WATER HIGHWAY sind eine durchaus als langjährige Texas Band zu bezeichnende Formation aus der Austin-Szene, genauer gesagt: aus San Marcos im nicht weit entfernt gelegenen Hill Country. Seit über 10 Jahren begeistern sie ihre lokalen Fans mit ambitionierten, anspruchsvollen Veröffentlichungen (nach mehreren EPs ab 2015 immerhin 6 volle Alben in regelmäßigen Abständen!) und beherzten, frenetisch gefeierten Liveautritten. Über die Corona-Phase hat die als Quintett begonnene, bald zum Sextett erweiterte Band zwei Mitglieder verloren, was allerdings der Komplexität ihres Sounds und instrumentellen Raffinesse überhaupt nicht abträglich ist. Anders noch als auf ‚Paper Airplanes‘, ihrem ersten Post-Corona-Werk von 2021 mit etlichen zusätzlichen Studiomusikern, Recordings in Nashville sowie Produzenten von „außen“, hat man sich jetzt komplett auf sich alleine verlassen. So ist ‚Year Of The Dragon‘ ausschließlich von den vier Protagonisten arrangiert, eingespielt, aufgenommen und produziert worden: Der unumstrittene Bandleader Zack Kibodeaux hat alle 10 Songs geliefert und auch hauptsächlich gesungen.
Dazu spielt er akustische und elektrische Gitarren, Harmonica und Keyboards/Synth. Leadgitarrist Greg Essington ist neben seinem üblichen Gitarrenarsenal ebenfalls mit Keyboards/Synth sowie programmierten Klangschichten, aber auch mit Banjo, Dulcimer und Klavier zu hören, besticht zusammen mit Catherine Clarke durchweg mit himmlischen Harmony Vocals der Extraklasse. Er „darf“ genauso einen Kibodeaux-Song lead-singen wie Clarke, als sie gegen Ende die wundervoll schwelgerische 5:42-Ballade ‚Barfly‘ veredelt. Der Vierte im Bunde, der eigentliche Bassist Kyle James Smith, übernimmt für diese Aufnahmen auch den Job des Drummers, entpuppt sich mit zusätzlichen Beiträgen an elektrischer Gitarre, Keyboards, Piano, Synth und Programming als wahrer Multiinstrumentalist! Americana-Puristen sei beruhigend mitgeteilt, dass die zahlreichen Keyboards- und Programming-Parts eher im Hintergrund ablaufen und lediglich songorientiert wirken. Andererseits ist das insgesamt sehr persönliche, ja fast private neue BWH-Album eine äußerst abwechslungsreiche, vielschichtige musikalische Tour De Force geworden, in der altbekannte texanische Roots/Country-Stereotypen praktisch gar keinen Platz finden, dafür frische, moderne Strukturen und zeitgemäße Arrangements regieren. Woran sicher auch der Final Mix von Craig Alvin (Will Hoge, Kathleen Edwards, Kacey Musgraves, William Clark Green) seinen Anteil hat. So erleben wir vom Start weg mit dem luftig-melodischen Titelsong über das Springsteenesk-kritische ‚A Gun Is A Killing Tool‘ und den Folkabilly von ‚High Cotton‘ bis zum gitarrenfrickeligen ‚Rockabye Motel‘ eine unwiderstehliche Mischung aus Lumineers, Avett Brothers, Jamestown Revival und The Lone Bellow, garniert mit etwas Fleetwood Mac, Crowded House und Wilco.
02. Oktober 2023