Die Bottle Rockets haben in den 30 Jahren seit ihrer Gründung ein populäres Sub-Genre geschaffen – Kleinstadt-Mittelstands-Roots-Rock aus dem amerikanischen Mittleren Westen. Zutaten: bodenständige Poesie und Rock’n’Roll, Resultat: Wahrheit. Bit Logic ist ein etwas anderes Album für die Band aus St. Louis, ihrer selbst bewusst, sozial bewusst, eine Herausforderung.
Das Album wurde in den Sawhorse Studios in St. Louis mit Toningenieur Mario Viele aufgenommen und produziert von Eric „Roscoe“ Ambel (The Del-Lords, Steve Earle), dem langjährigen Kollaborateur der Band. Auf ihrem 13. Album gehen die Bottle Rockets ihre typische Stilmischung neu an. Noch immer sind Hymnen der Arbeiterklasse ein Markenzeichen der Band, aber auf Bit Logic legt das Quartett den Fokus nach außen, darauf, wie Wandel und Anpassung das Gesamtbild verändern.
„Wir hatten nicht vor, ein Thema für das Album zu finden, aber eines drängte sich auf“, erklärt Songschreiber Brian Henneman. „Wenn es auf diesem Album um irgendetwas geht, dann wie es ist, in der Welt von heute zu leben. Depressionen und Wut zu vermeiden. Diese Songs sind Ausschnitte aus den Momenten, in denen das überwiegend gelingt.“ Aber, um den Zeiten, in denen das fast unmöglich erscheint, ein Gegengewicht zu geben, findet sich auf dem Album das Pop-Meisterwerk „Maybe Tomorrow“, das einen optimistischen, heiteren Blick auf ein momentanes Versagen bietet.
Die Band kehrte zurück zu demokratischerem Songwriting, woraus vier gemeinsam verfasste Songs entstanden – im Unterschied zum vorhergehenden, überwiegend von Brian Henneman geschriebenen, hoch gelobten Album South Broadway Athletic Club. Bevor es ins Studio ging, schickte Henneman den Bandmitgliedern Smartphone-Aufnahmen simpler Akustikversionen zu – daraus entwickelte die Band einen Song pro Tag in drei viertägigen Studio-Aufenthalten.
Die Band ging mit einer offenen Einstellung ins Studio – um ihre Americana-Einflüsse stärker einzubringen und ein Album zu machen, das ihre Gruppendynamik widerspiegelt. Was sie dabei herausfanden, überraschte die Bandmitglieder.
„Die Vergangenheit war unser Bezugspunkt“, erklärt Ambel. „Die Zeiten, in denen man Merle Haggard und Grateful Dead auf dem gleichen Radiosender hören konnte. Die Country-Atmosphäre entsprang den Sounds, die uns im Studio inspirierten. Sounds aus der etwas experimentelleren Zeit der Country-Musik, der Ära nach Hank (Williams) und nach George (Jones).“
Weitere Inspiration kam aus Americana-Quellen jenseits ausgetretener Pfade, beispielsweise von Don Williams, Poco, Jackson Browne, Jerry Reed und anderen, die während der Sessions in der Musik „auftauchten“, sei es in John Hortons famosem und unkonventionellen Country-Folk-Fingerpicking, in Hennemans kratzigem, bodenständigem Gesang oder im blinden Verständnis, mit dem Mark Ortmann und Keith Voegele in den Country-Rock-Overdrive grooven.
Der Titelsong und „Lo-Fi“ beschreiben wie die Modernisierung das Individuum betrifft – sie kann wie ein wunderbarer Zukunftstraum wirken oder wie entmenschlichende Realität. In „Bit Logic“ sind Henneman und Ortmann herausragende wortspielende Textzeilen gelungen: „In my technicolor childhood / We burned incandescent dreams / Illuminatin‘ on these future things / That didn’t turn out like we thought they would.“
Und dann ist da noch die Kehrseite der Medaille, in „Lo-Fi“: „Al Green in the kitchen/ On the AM radio/ Best bad sound that I ever did know/ Scratchy and it’s muddy / But it carries me through/ Straight on down to Memphis in ’72.“
Das alles führt hin zur brillanten, berührenden Kritik an der Musik-Industrie „Bad Time To Be An Outlaw“. In dieser sumpfigen Countrynummer mit Meta-Ebene reflektiert Henneman die Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen hat. Der Text erinnert an John Prine, an Waylon Jennings und Jimmy Reed:
That Nashville Pop it ain’t my deal
Even though that cash flow’s real
But these days „What Would Waylon Do?“
Don’t make much money sad but true
It’s a bad time to be an outlaw
Don’t get me wrong I love what I do
Couldn’t even change it if I wanted to
But random selection of the universe
Is makin‘ me think my job’s a curse
It’s a bad time to be an outlaw
Auf dem gesamten Album treffen Komplexität und Simplizität aufeinander, Tradition und Moderne, die Entschlossenheit, derselbe zu bleiben und die Notwendigkeit, nicht stehen zu bleiben. So haben es die Bottle Rockets immer gehalten. Auf Bit Logic erschließt die Band neues Terrain, bleibt sich aber trotzdem treu.