02. Mai 2019

Der Albumtitel ist wie ein Programm – das Songwriting steht im Vordergrund bei MARKUS RILL’s neuem Album Songland !

Songland
RILL, MARKUS Songland CD
€ 9,50*

Wenn man mit der Vorgabe, wenigstens 10 Songs in 10 Tagen aufzunehmen, ins Studio geht, dann nach nur knapp der Hälfte der Zeit schon wieder rauskommt und sogar sämtliche 15 neu geschriebenen Stücke komplett fertig abgemischt im Gepäck hat, darf man sicher von einer gelungenen Session sprechen, bei der einfach alles passte! So geschehen Ende Oktober 2018 in den 7V Studios in Bockenem, als der seit über 20 Jahren aktive, von Fans und Experten auch überregional höchstgepriesene deutsche Americana-Künstler Markus Rill mit dem aktuellen Line-up seiner Troublemakers das brandneue Album Songland einspielte. Der Titel wie ein Programm – das Songwriting, genauer: die Lust an poetischen, mitunter gar surrealen Texten, an kreativer Sprachgewalt als Weiterentwicklung zum reinen Storytelling von früher, steht klar im Vordergrund. Die musikalische Umsetzung von Rill und seinen Leuten gerät dabei immer songdienlich und immer grandios. Kein einziger der 15 Tracks fällt qualitativ auch nur um Nuancen ab, sodass Rills Entscheidung, entgegen üblicher Marktstrategien nichts als Bonus für später aufzusparen, aus künstlerischer Sicht konsequent erscheint. Fast eine Stunde Songland – welch ein Fest für alle Fans!


Seit 1997 beweist der Würzburger Markus Rill nachhaltig, dass man nicht zwingend amerikanische Wurzeln in seinen Genen haben muss, um als waschechter Bayer authentische Folk & Country-Lieder schreiben und singen zu können. Neben unzähligen Livekonzerten in Deutschland und darüber hinaus entdeckt man in seinem reichhaltigen Backkatalog praktisch keine längere Veröffentlichungspause. Bereits mit seinem zweiten Album The Devil And The Open Road stieß er 1999 zum Team von Blue Rose Records, das in der Folge die meisten seiner weiteren Scheiben bis heute herausbrachte. So auch die komplett in Nashville mit lokalen Topmusikern aufgenommene Trilogie Hobo Dream (2004), The Price Of Sin (2006) und The Things That Count (2007); oder das kernige Americana & Singer/Songwriter-Werk Wild Blue & True (2011); und Anfang 2013 das kapitale Bandalbum My Rocket Ship mit den Troublemakers. Mit Dream Anyway gelang Markus Rill 2016 ein wahrer Quantensprung. Dieses kleine Meisterstück war ungemein vielseitig, klang einfach superb und präsentierte einen reifen Musiker zwischen Song-Tiefgang und Rock’n Roll-Appeal auf dem bisherigen Zenit seines Schaffens! Mit Getting Into Trouble erschien Anfang 2018 eine Art Bestandsaufnahme zum 20-jährigen Jubiläum. Eine Doppel-CD mit zur Hälfte neuem Material im Acoustic Americana-Modus und einer Zusammenstellung von raren Tracks von Eigenveröffentlichungen, darunter Projekte mit der schwedischen New Folk-Künstlerin Annika Fehling oder den deutschen Kollegen Hubert Treml und Franz Schuier zum 65. Geburtstag ihres Helden Bruce Springsteen.

Insofern darf man Songland als logischen Nachfolger zu Dream Anyway betrachten! Dabei wirkt das neue Teil weniger extrovertiert und (Heartland-) rockig, ist dafür deutlich textorientierter und musikalisch mit einer enormen Bandbreite von Folk Roots, Country Rock, Americana, etwas Rock’n Roll und… diesmal reichlich Southern Soul im Geist des ewig jungen Muscle Shoals- und Memphis-Sound ausgestattet. Daran haben die Troublemakers ihren natürlichen Anteil: die perfekt groovende oder einfach nur dezente Begleittupfer setzende, über Jahre bewährte Rhythm Section mit Chris Reiss am Bass und Leonardo Von Papp als Drummer; dazu die beiden neuen Mitglieder, Gitarrist Maik Garthe an vielen Saiteninstrumenten (Electric Guitar, 12-String, Baritone & Slide Guitars, Dobro, Banjo) sowie Ecki Hüdepohl als Tastenmann an Orgel, Klavier, E-Piano, Akkordion und Harmonium. Durchweg stilprägend wirken auf Songland die markanten Backing Vocals der texanischen Kollegin Elizabeth Lee und des langjährigen Rill-Gefährten Robert Oberbeck. Als Gast ist einmal der marokkanische Guembri-Virtuose Rabii Harnoune zu hören. Markus Rill selber spielt akustische und elektrische Gitarren sowie Mundharmonika, überzeugt mit einem in all der Zeit immer komplexer entwickelten Gesang, dem eine raue, charakterstarke Sandpapierstimme zugrunde liegt, der man sich einfach nicht entziehen kann!

Los geht’s mit gleich zwei dynamischen Country Rock-Nummern: ‚Saddle Up & Ride‘ und ‚Inside The Wheel‘ bestechen mit flüssigen Wechseln von Songstrophen und eingängigen Refrains auf hohem Level. In der sämigen Ballade ‚The Thing With Love‘, ein Co-Writing mit Weltenbummler und Singer/Songwriter Daniel Hertzov, besingt Rill mit reichlich Seele die Zweifel und Hoffnungen in der Liebe. Klavier und eine edle Slide Guitar verstärken zusammen mit leidenschaftlichen Backing Vocals den eingangs erwähnten Soulcharakter auf Songland. Noch deutlicher wird dieser Trend mit dem schon fast spirituellen ‚Fearless‘ (co-geschrieben von der bekannten Schwedin Eva Hillered), dem schwülen „late nite“ R&B von ‚A Love So Strong‘ und durch die monumentale Komposition ‚Broken Man‘, vehement auf den Spuren klassischen Southern Souls aus der Dan Penn/Spooner Oldham-Schule wandelnd (‚Dark End Of The Street‘, ‚Do Right Woman, Do Right Man‘)! Auch ‚A Mistake Like Me‘ mit den augenzwinkernden Lyrics über den unauffälligen Loser, der eine für ihn eigentlich unerreichbare Frau begehrt, gehört mit seinem tollen R&B/Blues/Roots-Mix in diese Kategorie. Mit einem solch dichten Soundteppich von fetter Gitarre, handfestem E-Piano, sakralen Orgelschüben und gospel-intensivem Chorgesang könnten die Troublemakers hier von Country und Folk kaum weiter entfernt sein!

Doch bei so viel Material gibt es ja noch genug Gelegenheit, dorthin zurückzukehren: z.B. mit ‚Length Of Rope‘, einem ruhigen Acoustic Song in Guy Clark-Manier über die Vergänglichkeit des Lebens und der Kunst zu akzeptieren, dass nicht immer alles geradlinig laufen muss – untermalt von einer auserlesenen Electric Lead Guitar, die nur das Nötigste andeutet; oder die wunderschöne Folk Rock-Ballade ‚Emily‘ über eine vergangene Liebe, die den Protagonisten für immer geprägt hat. Nach einem sanften akustischen Anlauf steigern sich Rill und Band in einen dramatischen Killerrefrain; dann ‚Conscience County Jail‘ – gefangen im eigenen schlechten Gewissen und gescheitert an zu vielen falschen Entscheidungen, aber immer im Bestreben, alles wieder gerade zu biegen. Das mit verhaltener E-Gitarre und lässig pluckerndem Banjo arrangierte Stück ist Folk/Blues Americana pur. ‚Swampland Of The Mind‘ sticht mit seinem düster verschwommenen, fast traumatischen Slow Blues deutlich heraus und schlängelt sich mit sphärischen Sounds von Gitarren und Keyboards sowie den geheimnisvollen Klängen von Rabii Harnounes Guembri, einem lautenähnlichen Saiteninstrument aus dem Maghreb, gefährlich in die letzte Gehirnwindung! Im völligen Kontrast dazu steht der extrovertierte Rock’n Roller ‚A Girl That’s Gone (Ain’t Comin‘ Back)‘ mit Boogie Piano und prägnanten Rhythm & Slide Guitars über das Akzeptieren der Endgültigkeit vom Ende von Beziehungen. ‚Words Of Apology‘ ist dann wieder eine perfekt abgehangene, mit Akkordion und melodischen Slide Guitar-Linien unterstützte Americana-Ballade auf den Spuren des folkigen Bruce Springsteen, während sich ‚Old Man Now‘ – ein gefühlvoller Tributsong an Markus Rills Vater – extrem sparsam intoniert und leidenschaftlich gesungen fast wie ein Acapella Song anhört. Auch zum Ausklang dieses grandiosen Albums dominieren die leisen Klänge – ‚The Great Mystery‘ über die ewig zentralen Zweifel der Menschheit über ihre Zukunft bedeutet nichts weniger als nachdenklich-sensibler Songwriter/Folk der Güteklasse „A“! Welch ein starkes Statement: dieses Ende, das ganze Songland!!

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